Religiöse Entdeckungen in Indonesien

Inzwischen haben wir soviel gesehen, dass die besonderen Erlebnisse eher in den persönlichen Begegnungen liegen. Allerdings ist es viel schwieriger in Kontakt zu kommen, als wir gedacht hatten. Zum einen sind und bleiben wir immer die reichen Touristen, die als potentielle Kunden betrachtet werden und zum anderen ist es schwierig zu den Menschen Kontakt zu bekommen, die gut genug Englisch können. Und das ist eben nicht der Rikschafahrer an der Straße…
In der Stadt Surakarta, von den Indonesiern Solo genannt, hatten wir aber das Glück auf interessierte Englischsprechende Menschen zu treffen. Und die Begegnung begann wie so häufig völlig ungeplant. Wir waren mittags in Solo angekommen und suchten nun in dieser Stadt ohne touristische Infrastruktur nach einem Restaurant, wo auch Vegetarier satt werden können. In Indonesien denken alle, Vegetarier essen Huhn und Fisch und sind immer ganz verwundert, wenn wir „no meat, no animal“ möchten. So landeten wir nach längerer Suche in einem chinesischen Restaurant, wo sie sich sehr bemühten, uns alles anzubieten, was sie an vegetarischen Speisen hatten. Wir saßen draußen auf der Terrasse und wunderten uns nach einiger Zeit darüber, dass wir im Hintergrund aus dem Lokal ständig christliche Weihnachtslieder hörten. Schließlich war schon der 8. Januar. Als ich dann zum Bezahlen in das Lokal hineinging, sah ich, woher diese Lieder kamen. Im Restaurant fand gerade ein christlicher Gottesdienst mit Band und ca. 40 chic gekleideten Besuchern statt. Ich fragte dann einen Mann, ob dies wirklich ein Gottesdienst sei und erzählte ihm, dass wir auch Christen seien. Er war sofort begeistert und lud uns ein, dazuzukommen. So setzten wir uns dazu und konnten von den mit Beamer projizierten Weihnachtsliedern schon einige gut mitsingen, da wir sie schon aus anderen Gottesdiensten kannten. Natürlich wurden wir direkt vorgestellt und nochmal offiziell begrüßt und alle freuten sich über die besonderen Gäste. Am Ende des Gottesdienstes wünschten sich alle erst mal per Handschlag „Merry Christmas“, so dass wir auch nochmal herumgereicht wurden. Dann ging die Christmas Party damit weiter, dass noch Reden gehalten wurden, einige spielten Klavier und sangen etwas, einige Frauen tanzten dazu, ich „durfte“ natürlich auch mitmachen, und dann gab es Buffet für alle. Eine junge Frau sprach uns an und erklärte uns dann, dass dies eine ökumenische christliche Gruppe von Juristen sei. Sie war etwas schüchtern, wollte aber unbedingt ihre englischen Sprachkenntnisse verbessern und so bliebe sie den ganzen Abend an unsrer Seite, versorgte uns mit den vegetarischen Speisen des Büfetts und brachte uns schließlich noch mit ihrem Auto zum Hotel. Wir verabredeten uns für den Sonntag, da wollte Arum, so heißt sie, uns ihre Stadt zeigen. Was konnte uns Besseres passieren?

DSC00174 DSC00170
Am Sonntagmorgen hörten wir beim Frühstück durch die Fenster diesmal laute Kinderstimmen, die „Glohohoria“ und andere uns nun schon bekannte indonesische Weihnachtslieder übten. Wir beschlossen, nach dem Frühstück um die Ecke hinter die Mauer zu schauen, ob dort auch wieder Gottesdienst gefeiert würde.
Als wir an die Straße kamen, stand dort eine große Gruppe 4 – 5 jähriger Kinder in herrlichen, violetten Uniformen und trommelte zu einer Melodie, die ein Mann auf dem Xylophon spielte. Und die Kinder waren erstaunlich rhythmisch. Drumherum standen jede Menge Eltern, die mir erklärten, dass dies eine katholische Schule mit Kindergarten sei, die heute ihre Weihnachtsfeier abhielten.

IMG_20150111_083715 IMG_20150111_083634

Ein Lehrer kam direkt auf uns zu, begrüßte uns herzlich und schwupps waren wir wieder die Ehrengäste vorne in der ersten Reihe! Die offizielle Feier sollte von 9.00 bis 12.00 Uhr dauern. Sie hatten einen professionellen Moderator engagiert, der durch das Programm führte und kräftig für Stimmung sorgte. Dabei sprach er uns, die Ehrengäste, auch ständig an und bezog uns mit ein. Die Schule besteht aus den Klassen 1-6 mit je 35 Schülern und alle führten etwas auf. Einige sangen, andere tanzten und die Weihnachtsgeschichte wurde mit javanesischen Tanzelementen vorgespielt mit Engeln, die alle Schmetterlingsflügel hatten.

DSC00232 DSC00228 DSC00227 DSC00224 DSC00215 DSC00214
Da wir mit unsrer Bekanntschaft Arum den Tag aber anders geplant hatten, haben wir uns nach der Hälfte verabschiedet.
Als nächstes fuhren wir zum Sultanpalast von Solo, wo der Sultan noch heute mit seiner Familie lebt. Normalerweise vermeiden wir lokale Führer, die einem für viel Geld maximal das gleiche wie im Reiseführer erzählen. Diesmal bekamen wir aber eine ganz besondere junge Frau an die Seite. Sie war eine sehr gebildete Muslimin, die mit Temperament, Humor und Stolz von ihren javanischen Wurzeln berichtete. Darin sind viele Elemente des Hinduismus enthalten, auch ist man angehalten nachts, wenn es am Ruhigsten ist zu meditieren. Genauso gehört der traditionelle javanische Tanz mit den graziösen Handbewegungen dazu, den jedes Mädchen in seiner Familie lernt. Ihr war sehr wichtig zu betonen, dass die Javaner auch schon eine hohe Kultur hatten, bevor der Islam sich ausbreitete und dass sie heute eine Mischform leben. Diese Frau war echt ein Erlebnis, dass kann ich hier gar nicht gut genug beschreiben.

DSC00251 DSC00249 DSC00243
Von hier aus kamen wir zum nächsten Höhepunkt des Tages. Arum wollte uns ihre Gemeinde zeigen. Für Gregor und mich war das Neuland. Wir hatten ja schon charismatische indonesische Gemeinden kennengelernt, aber nicht in dieser Größenordnung. Wir fuhren auf einen riesigen Parkplatz und gingen in ein Gebäude, das einer Einkaufsmall glich. Große Buchläden, Geschäfte und Cafés im Erdgeschoss, dann ging es in den Kirchraum, ich würde sagen in die Konzerthalle. Das Auditorium fast ca. 3000 Personen auf zwei Ebenen, vorne war eine riesige Bühne (50m breit) mit Band, zwei Chören und 8 Vorsängern, die auf der Bühne verteilt waren. Dann gab es rechts und links eine kleine Tanzfläche, wo jeweils drei Tänzerinnen mächtig einheizten. Die eine Gruppe tanzte modern, Hip-Hop – mäßig, die andere in langen Röcken eher traditionell. Vor der Bühne standen noch 4 Personen, die mit Fahnen tanzten. Es gab ein Lobpreislied nach dem anderen in einer unglaublichen Lautstärke, alle standen, sangen und klatschten, den Text gab es auf riesigen Leinwänden. Ab und zu gab es etwas ruhigere Phasen, wo einer betete und der Gesang in den Hintergrund trat. Oder es beteten alle durcheinander zu lauter Musik. Dieser Lobpreisteil dauerte 1 Stunde, dann folgte 1 Stunde Predigt!! Am Sonntag finden 5 solcher Gottesdienste hintereinander statt! Das ist doch der Hammer. Wir waren jetzt um 13.00 Uhr im Gottesdienst, da waren nicht so viele Leute da, vielleicht nur etwa 1000! Es waren übrigens Menschen aller Altersgruppen vertreten. Der Gemeindeleiter hat die Vision einer Erweckung in Indonesien. Der zukünftige Ehemann Tri unserer Freundin Arum(beide auf dem Foto) ist gerade in der theolgischen Ausbildung, die der Megakomplex auch beherbergt.

DSC00281 DSC00278 DSC00272 DSC00269

Im Laufe des Tages haben wir sehr viele christliche Kirchen hier in Solo gesehen, ca. 10% der Bevölkerung sollen Christen sein.
Das Miteinander der Religionen scheint hier erstaunlich gut zu sein, man sieht hier nirgendwo fundamentalistische Aktionen. Indonesien ist ja das größte muslimische Land der Welt, dafür sind sie hier recht vorbildlich, denn in der Verfassung ist Religionsfreiheit garantiert. Sicher gibt es hier auch radikale Gruppen, aber die scheinen keine Rolle zu spielen. Auf uns machen die Menschen einen sehr friedlichen Eindruck und sind bemüht, mit der Zeit zu gehen. Hunderte verschleierter Mädchen fahren Roller, jede Schulklasse, die wir an irgendwelchen Sehenswürdigkeiten trafen, war mit ihren Handys beschäftigt, um das beste Selfie zu schießen oder ein Foto mit Gregor, einem „großen, weißen Mann“ zu machen. In einer Tempelanlage ist Gregor bestimmt 30x fotografiert worden, ich immerhin 20x.

IMG_20150107_110343 DSC00100
Zurück zu unsrer Solotour mit Arum. Auf der Suche nach einem vegetarischen Restaurant hatten wir den Tipp bekommen, zu einem buddhistischen Tempel zu fahren. Dort könne man gut vegetarisch essen. Als wir dort ankamen, waren sie gerade beim Aufräumen. Allerdings war noch eine buddhistische Familie mit englisch sprechenden Studenten dort, die sich sofort bereit erklärten, uns den Tempel des „Lachenden Buddha“ zu zeigen. Sie berichteten, dass sich dort hauptsächlich eine Gruppe chinesisch stämmiger Buddhisten trifft. Der große Gebetsraum war mit chinesischen Symbolen, Schriftzeichen und dem lachenden, dicken Buddha geschmückt. Der Buddha sei übrigens deshalb so dick, weil er das Leid der Menschen in sich aufgenommen habe. Außer diesem Tempel soll es noch einige in der Stadt geben. Auch diese jungen Leute fühlen sich hier in Indonesien ganz frei, ihren Glauben zu leben.
Wer hätte das gedacht, wir haben ein rein muslimisches Land erwartet und dann die Vielfalt der Religionen angetroffen!

DSC00291 DSC00289 DSC00287

Kategorien: Uncategorized | 4 Kommentare

Beitragsnavigation

4 Gedanken zu „Religiöse Entdeckungen in Indonesien

  1. Doreen

    Hallo Viola

    liebe Grüsse erstmal aus Köln von deinem Team 5c wir alle verfolgen deine Reiseberichte mit Spannung und sind alle überwältig von deinen Eindrücken die du uns auf der website hinterlässt.
    Manchmal möchten wir schon gerne bei Dir sein – so manchmal 🙂
    Ihr herrscht gerade unbeständiges Wetter und wir haben auch keinen Schnee was leider nicht so schön ist, was gerade meinen kleinem Sohn echt ärgert da er schon gern mal einen Schneemann gebaut hätte.

    Also wir wünschen Dir und deinem Mann weiterhin eine schöne, interessante und beeindruckende
    Reise

    Und wir freuen uns auf Dich wenn Du wieder da bist

    Lg Doreen

    • Viola Fey

      Liebe Doreen,
      das freut mich natürlich, wenn ich höre, dass Ihr unseren Blog verfolgt. Mein Bruder hat sich anfangs mal beschwert, wir würden zu viel schreiben. Aber es gibt ja auch immer viele Fotos dazu.
      Inzwischen habe ich in jedem Land das Gesundheitssystem, bzw. ein Krankenhaus persönlich getestet. Ich hoffe ,ich bin damit jetzt durch. Es ist schon unglaublich, was wir hier alles zu sehen bekommen. Wenn die Leute es hier manchmal sehr ruhig angehen lassen, dann denke ich, wenn die wüssten, mit welchem Tempo in Deutschland gearbeitet wird! Und dann muss ich natürlich auch an Euch denken. Ich hoffe, es geht allen gut und der Stress ist erträglich. Grüß doch bitte alle ganz herzlich von mir!
      Dir auch alles Gute und vielleicht kommt ja noch eine Prise Schnee für den Schneemann, der Winter ist ja noch nicht vorüber.
      Herzliche Grüße aus der Ferne ( sitze gerade am Flughafen von Kuala Lumpur in Malaysia auf dem Weg nach Kambodscha – verrückt,was?)
      Viola

  2. Andreas

    Hallo Ihr beiden, das ist ja spannet was Ihr beiden dort erlebt, ich lese gerne Euren Blog.
    Gruß Andreas

    • Viola Fey

      Hallo Andreas,
      schön von dir zu hören. Wir hoffen, es geht dir gut, gesundheitlich und privat.
      Wir haben heute wieder einen Reisetag, es gejgeht weiter nach Phnom Penh ,der Hauptstadt von Kambodscha. Der Bus soll Wifi haben, mal sehen,ob es funktioniert.
      Viele Grüße auch an Monika,
      Viola

Hinterlasse einen Kommentar

Erstelle kostenlos eine Website oder ein Blog auf WordPress.com.